.

CD-Release: “BACH TUNES AND FREE TANGO” - Magischer Tango-Sound aus Hamburg

3. Januar 2011 | von admin | Kategorie: CD-Neuerscheinungen, Leitartikel
Bach Tunes And Free Tango - Flutterband TrioDer in Hamburg lebende Geiger, Komponist und Bildende Künstler Hans-Christian Jaenicke ist ein vielseitiger und eigenwilliger Zeitgenosse. Während seines Studiums u.a. bei der rumänischen Komponistin Violeta Dinescu und dem Chilenen Gustavo Becerra-Schmidt befasst er sich als Geiger intensiv mit Tango argentino, mit der Spielpraxis der Barockgeige, mit freier Improvisation und mit Neuer Musik. Er arbeitet mit Musikern wie dem Dirigenten David Coleman (London), Rachel Evans (Meridian String Quartet/NY), dem Cellisten und Komponisten Graham Waterhouse (London Philharmonic Orchestra) zusammen. Durch die Mitwirkung bei Ur-Aufführungen kommt es zur Begegnung mit einem der wichtigsten Komponisten und Architekten des 20. Jahrhunderts - mit dem 2001 in Paris verstorbenen Iannis Xenakis, der ihn nachhaltig beeindruckt.
2005 erscheint bei Tropical-SONY/BMG seine CD „TANGO 040“, die er mit dem langjährigen Duo-Partner Jörg Siegloch am Akkordeon als DUO diagonal aufgenommen hat. Wer dieses poetische Album noch im Ohr hat, der erinnert sich an jazzige und klangschöne Tango-Balladen, intime Arrangements von Tangoklassikern wie „Malena“ oder der „Balada Para Un Loco“ von Astor Piazzolla.
Bernd_von_OstrowskiMit dem vor kurzem erschienenen Album „Bach Tunes And Free Tango“ zeigt sich Jaenicke mit einem neuen, viel versprechenden Ensemble, dem FLUTTERBAND TRIO und auch mit einem neuen Sound, irgendwo zwischen Piazzolla und Kronos-Quartett. Wieder ist es klangschöner Tango, aber die Grundrichtung hat sich verschoben: Die Harmonien sind härter, die Rhythmen klarer, die Melodiebögen weiter und freier. Die Besetzung diesmal: Der junge Franzose Cyrille Guignard am Piano, dessen Anschlag immer ein wenig die Beschäftigung mit romantischen und impressionistischen Komponisten durchscheinen lässt und am Kontrabass der stilistisch flexible Bernd von Ostrowski, der bereits in den 70er Jahren mit Jazz-Legenden wie Ornette Coleman, Charlie Haden und Don Cherry zusammenarbeitete und darüber hinaus sich mit dem Violone als gefragter Barock-Experte einen Namen gemacht hat. Die Intensität der Musik wird jedoch zum großen Teil  von Jaenicke selbst bestimmt. Er zeigt sich hier als einfallsreicher Erzählkünstler und Magier der Klangfarben, wie man es gerade im Jazz selten findet.
In dieser Zusammensetzung so unterschiedlicher Musiker sind die Klang-Möglichkeiten, die sich diesem Trio bieten, schier unbegrenzt und man hört in jedem Stück den Spaß der drei Musiker, die Facetten der Besetzung durchaus extrem auszuloten. So lässt Guignard am Piano in einem ätherischen Solo die einzelnen Töne der berühmten Bach-Ciaccona ineinander verschwimmen, Jaenicke zieht mit der Violine darüber eine silberfarbene Linie in höchster Höhe, von Ostrowski lässt seinen Kontrabass in archaischen Untiefen einen Tango-Rhythmus pochen - unheimlich und schicksalsschwer. Aus diesem zart-morbiden Klang entwickelt sich plötzlich ein packender Sound. Cubanischer Son, Spielfreude und ausgelassene Dialoge zwischen den Akteuren sprudeln aus den Instrumenten. Immer wieder gehen die drei Virtuosen dabei an die Grenzen des Spielbaren.
Cyrille_GuignardVor der Tango-Legende Carlos Gardel verneigt sich das Trio zweimal auf diesem Album. Der Tango MI BUENOS AIRES QUERIDO wird zusammen mit dem Presto aus Bachs g-moll-Suite zu einer turbulenten Milonga, beiläufig, wie dieses kompositorische Kunststückchen einfach so passiert. Das zweite dem Sänger Gardel gewidmete Stück ist sehr experimentell und trägt den Titel: „FREE I - YO SOY CARLOS GARDEL“. Ausgangsmaterial war hier der Sprachrhythmus der letzten öffentlichen Worte Gardels im Rundfunk, bevor er am 24 Juni 1935 bei einem Flugzeugunglück ums Leben kam. Durch ein freies Kompositionsgeflecht zieht sich dieser Sprach-Rhythmus wie ein roter Faden - lyrische, freitonale Passagen und treibende Tangonuevo-Episoden schaffen ein reizvolles, nicht widerspruchsloses Portrait dieses unnahbaren Menschen „Carlitos“.
Doch schon wechseln wieder die Farben des Flutterband-Trios: Die „C-Dur-Sonate für Violine solo“ von Johann Sebastian Bach erklingt als Tango-Cancion. Als Hauptmotiv dient hier allerdings nicht das Bach’sche Original, sondern das Jagdsignal „SAU TOT“, das wie bei einer Jagd virtuos durch unwegsamste Harmonien getrieben wird. Dieser artistische Witz und die oft grotesken Einfälle, die sich durch das ganze Album ziehen, erfrischen die melancholisch-poetische Grundstimmung und machen diese Musik zu etwas ganz Eigenem bzw. Unverwechselbarem. Wer wissen möchte, wie es mit dem Tango jenseits der Elektroschiene weitergeht, der sollte das Flutterband Trio schon einmal gut im Auge behalten.
 
CD-Info:
Genre: Tango/Klassik/Weltmusik/Crossover
Ensemble: Flutterband-Trio
Hans-Christian Jaenicke – Violin
Cyrille Guignard – Piano
Bernd von Ostrowski – Doube Bass
Titel: “Bach Tunes And Free Tango”
VÖ: 15.11.2010
edition 46, Best.Nr.: Ed46 46005
 
Track-Liste:
1 INTRODUCION
quasi Sarabande-Double (BWV 1002, h-moll)
2 TANGO
quasi ADAGIO (BWV 1002, h-moll)
3 TANGO-CANCION
„SAU TOT” quasi LARGO (BWV 1005, C-DUR)
4 TANGO
quasi FUGA (BWV 1001, g-moll)
5 VALSE
quasi SICILIANA (BWV 1001, g-moll)
6 MILONGA
„MI BUENOS AIRES QUERIDO”
quasi PRESTO (BWV 1001, g-moll)
7 FREE III
TANGO A DUE VOCE
8 FREE II
REGGAE FLAVOUR
9 FREE I
„YO SOY CARLOS GARDEL”
10 TANGO Y SON
QUASI CIACCONA (BWV 1004, d-moll)
 
Weitere Infos unter:
www.flutterband.de
info@duo-diagonal.de

Kommentar schreiben

.
© 2016 Jazzzeit | Powered by EP-Solutions
Anmelden | 28 queries. 0.101 seconds.